Dienstag, 25. März 2014
Anzeichen spirituelle Erschöpfung
© Sabrina Fox www.SabrinaFox.com
Als es mir das erste Mal passierte, befürchtete ich, ich sei
arrogant geworden.
Ich war selbst Referentin und hörte jemand anderem auf der
Bühne zu.
Nach einer Weile fingen meine Beine an, unruhig zu werden.
Immer
ein Zeichen, dass ich weg will.
Doch ich blieb sitzen.
Ich beobachtete,
wie meine Gedanken wanderten:
Zum bevorstehenden Rückflug in die USA,
der Geburtstagsplanung für meine damals noch kleine Tochter.
Zwischendrin versuchte ich mich wieder auf die Referentin zu
konzentrieren,
doch mein Körper rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her.
Weder
das Konzentrieren auf meinen Atem,
noch die versuchte Meditation
halfen mir weiter.
Ich merkte, wie ich wütend wurde.
Wütend über das,
was ich da hörte.
Ich werde selten wütend.
Und da ich weiß, was man mit
Gefühlen macht, fragte ich die Wut in mir,
was sie mir denn sagen will.
Sie
antwortete prompt:
„Ich kann diesen Schmarrn nicht mehr hören!“
Ja, das war wahr.
Was mich störte, war die „Inszenierung“
der Referentin,
der heilige Blick, Phrasen und unwahre Heilsversprechen:
„Wenn
ihr das und das macht, dann werdet ihr nie wieder ein Problem haben.“
Gleichzeitig fragte ich mich vorsichtshalber, ob ich
arrogant geworden bin?
Ich besprach später die Situation mit meinen Freunden.
Eine
davon fragte mich, ob es denn Referenten gäbe, von denen ich begeistert
bin. „Natürlich!“
antwortete ich und ratterte deren Namen herunter.
„Wenn du
arrogant wärst, dann würde dir keiner der anderen Referenten gefallen.
Da
gibt es offensichtlich was an dieser Referentin,
das du nicht als
aufrichtig empfindest.“
Über die Jahre merkte ich, dass meine Geduld zwar in vielem
wuchs,
aber in einer Sache immer kleinlicher wurde:
Mein Radar für
authentisches spirituelles
Leben oder hingeschmissene Plattitüden wurde immer schärfer.
Ich war nicht die Einzige.
Eine Freundin sprach bei einem
Abendessen davon,
dass sie ein spirituelles Detox-Programm braucht.
Wir
lachten laut auf.
Ja, das gewünschte „Entgiftungsprogramm“ konnten wir nachvollziehen.
Viele von uns waren seit vielen Jahren aktiv in ihrem spirituellen
Wachstum tätig.
Wir meditieren jeden Tag.
Wir waren aufmerksam, was wir dachten,
sagten und taten.
Und – jeder von uns – reagierte mittlerweile
allergisch auf spirituelles „Bla-Bla“.
Ein spirituelles Leben kann ganz schön anstrengend werden:
Die Kundalini Energie muss nach oben gezogen werden;
das dritte Auge
sollte auf sein;
man darf das Bett mit dem Fußende nicht zur Zimmertür
und
den Herd nicht in die Mitte der Küche stellen ;
man darf kein Fleisch essen;
man sollte seine Affirmationen so oft wie möglich wiederholen
und seine
Mantras singen;
Man sollte jeden Tag Yoga machen;
einen Reiki Grad oder ein
andere Äquivalent sollte man schon haben;
wir sollten heilige Kraftorte
erfühlen können;
wir sollten intuitiv spüren, wie es dem anderen geht;
wir
sollten uns unsere Träume merken und analysieren können,
wir sollten ... wir
sollten...
Ganz schön viel!
Weswegen verlangen und erwarten wir soviel
von uns?
Weil wir etwas erreichen wollen.
Wir wollen glücklich sein.
Wir wollen keine Probleme mehr haben.
Wir wollen Aufwachen.
Wohin aufwachen?
Für die meisten von uns begann das spirituelle Aufwachen mit
einer Suche.
Wir schauten uns unser Leben an – und es gefiel uns nicht.
Wir merkten, dass wir uns im Kreise drehen, kein Vertrauen in unser Leben
haben und das tun, was andere von uns erwarten.
Dann hörten wir von Engeln oder einem erleuchteten Meister
oder einer
spirituellen Ausbildung, die uns helfen sollte.
Wir trafen
die Entscheidung uns umzuschauen, etwas Neues erfahren zu wollen.
Und mit dieser
Entscheidung teilten sich die Suchenden in zwei Gruppen ein:
Die eine Gruppe suchte nach einem Eltern-Ersatz.
Suchte nach
einem Wunder.
Einer schnellen Veränderung.
Einem „magischen
Schlüssel“, der alles richten kann.
Irgendwie glaubten wir, dass es da ein
„Secret“, ein „Geheimnis“ gibt, das –
wenn wir es erst verstanden haben –
uns ins gefühlte Paradies befördert.
Mit tollem Job, tollem Partner, tollen
Kindern und viel Geld und Erfolg.
Und so suchten wir nach jemandem, der „etwas
weiß“ und uns hilft,
unser Leben zu meistern.
Wir suchten nach jemandem,
den wir anbeten können.
Kurzum jemandem, der die Verantwortung für unser
Leben übernimmt.
Dabei gab es diverse Heilsversprechen und
angebliche „Abkürzungen“:
„Wenn du XY machst, diese Ausbildung machst,
diesen
Kristall kaufst etc. dann bist du beschützt.“
Manche waren zuerst längere Zeit in dieser Gruppe und
stellten dann nach
einer Weile fest, dass es weder beim Abnehmen, noch im
spirituellen
Wachstum Abkürzungen gibt.
Und so wendete man sich der
zweiten Gruppe zu.
Der Gruppe, die gemerkt hatte, dass das Leben sich nur
dann verändert,
wenn wir uns selbst verändern.
Also weg von dem Glauben
„Ich
selbst bin wenig und brauche jemanden, der mehr und größer und weiter
ist
als ich“ zu der Ahnung:
„Ich habe in mir diese Größe, die ich selbst
entwickeln möchte
und dazu bin ich bereit die komplette Verantwortung für mein
Leben zu
übernehmen und dazu suche ich mir die passenden Vorbilder.
“
Diese Vorbilder sind nur temporär da.
Ihnen wird nicht gefolgt.
Ihnen wird zugehört, wie bei einem Mathematiklehrer in der Schule.
Wir lernen von
ihm die Regeln der Mathematik.
Aber wir laufen unserem Mathematiklehrer
nicht in unendlicher Bewunderung hinterher.
Wir WISSEN, dass wir
diese Mathematikaufgaben selber lösen können–
wenn wir es üben.
Beide Gruppen haben ihre spirituelle Erschöpfung.
Die erste
Gruppe wird frustriert werden.
Das Leben hat sich nicht wirklich
verändert.
Die Probleme sind immer noch die gleichen.
Der tolle neue Partner will
einfach nicht kommen.
Das glückselige Wohlbefinden will sich einfach nicht
einstellen.
Und so sucht diese erste Gruppe einen neuen Lehrer.
Eine neue
Lehre.
DIESE Lehre wird es jetzt sein!
DIESE Lehre zeigt mir den Schlüssel zu
einem leichteren Leben.
Und natürlich ist es auch DIESE Lehre nicht.
Denn das
spirituelle Wachsen ist ein täglicher Prozess und den erfahren wir nur,
wenn wir uns auf unsere Intuition und auf uns selbst verlassen und niemand
anderem hinterherlaufen oder auf ein leichtes „Wunder“, eine
Abkürzung, hoffen.
Natürlich gibt es Wunder.
Nur im Wachstum eben nicht.
Die spirituelle Erschöpfung der zweite Gruppe ist eine
Andere.
Die zweite Gruppe hat sich auf Grund der jahrelangen Übungen in eine
selbstverständliche Spiritualität hineinbewegt.
Der Druck
ist verschwunden.
Die Meditationen sind eine Selbstverständlichkeit wie das
zwei Mal tägliche
Zähneputzen.
Es sind viele spirituelle Bücher gelesen und
verstanden worden
und so „sucht“ man nicht mehr nach einer Antwort.
Die
Antwort ist gefunden worden.
Jetzt geht es um das Leben, das so gelebt werden
will,
wie wir es geübt und gelernt haben.
Das heißt, dass selbstverständlich
das Essen gesegnet wird.
Dass der innere Dialog mit dem Körper, das
BodyBlessing, normal geworden ist. Dass wir mit unserem Partner wahrhaftig
und sensibel umgehen.
Dass nicht gelogen wird.
Dass wir nicht mehr
belehren wollen.
Dass wir uns erlauben Pausen zu machen.
Diese Gruppe erlebt die
spirituelle Erschöpfung anders:
Bei ihr ist es das spirituelles Bla-Bla,
das ihr auf die Nerven geht.
Mit dem Wort Erleuchtung konnte ich noch nie richtig etwas
anfangen.
Ich benutze lieber
das Wort „Wachsein“.
Wir haben keine Seele.
Unsere Seele hat uns.
Es ist unsere Herausforderung als unendliche Seele,
die eine
menschliche Erfahrung macht,
unseren Verstand HINTER unsere Seele zu
stellen.
Und das ist unser Verstand nicht gewohnt.
Unsere Aufgabe hier in diesem
Leben ist es
„Wach zu sein“
und unsere Herausforderungen aus der Sicht
der Seele zu sehen.
Jeder von uns wünscht sich das.
Und jeder von uns
geht dazu seinen eigenen für ihn richtigen Weg.
Ob wir ihn jetzt in der
ersten oder in der zweiten Gruppe ausprobieren ...
irgendwann einmal erkennen wir, dass
es um die Selbstverantwortung geht.
Woran erkennen wir, dass es
funktioniert?
Weil unser Leben besser wird.
Wenn ich mir meine Beziehungen und mein Leben anschaue,
dann
erkenne ich die Veränderung in meinem Leben.
Alleine in meinen
Beziehungen habe ich in den Jahren ein anderes Miteinander gestaltet.
So, wie
ich es jetzt erlebe, habe ich es mir nicht einmal vorstellen können.
Wir
erkennen den Grad unseres Wachseins daran, wie wir mit den
Herausforderungen des Lebens umgehen.
Wenn wir uns früher über etwas wochenlang
aufgeregt haben,
berührt es uns heute vielleicht nur noch für eine
halbe Stunde.
DAS ist unser Wachstum.
DARAN erkennen wir unser Wachsein und ich
wünsche uns sehr,
dass wir alle diese Schritte erkennen und uns daran
erfreuen können.
Wachsen bedeutet nicht, dass wir keine Probleme mehr haben.
Wachsen bedeutet, dass wir die Probleme erkennen –
die
Herausforderung annehmen– und uns anders verhalten als früher.
Dieser Moment des
Bewussten
(„ich mache nicht das, was ich üblicherweise tue, sondern ich
mache das, was ich jetzt tun will“)
ist die Gnade des Wachseins – und daran
können wir uns erfreuen.
Jeden Tag mehr ...
Herausforderungen durch spirituelle Erschöpfung
Pausen machen:
Eine Ausbildung, ein Kurs, ein Vortrag nach
dem Anderen
leert zwar unser Portemonnaie, aber nicht unser Karma.
Wir
müssen auch Zeit haben, das Gelernte umzusetzen.
Herz geht zu:
Mein Herz ist mein Barometer.
Häufig frage ich
mich: „Macht dies mein Herz auf oder zu?“
und dann beobachte ich, wie ich
mich fühle.
Aussagen, die mein Herz zumachen, wollen mir nur Angst
machen.
Welt retten:
Wir erschaffen uns zwar die Welt in der wir
leben und doch
können wir nur die Verantwortung für uns selbst übernehmen.
Dies zu erkennen und anzunehmen, löst den Druck und entspannt.
Zuviel Pflichtgefühl:
Viele trauen sich keine Pause zu
machen, denn ihr Pflichtgefühl hält sie davon ab: „Aber ich werde doch
gebraucht!“
Niemand ist unersetzlich.
Wenn ich nicht mehr zur Verfügung stehe,
dann gehen die Leute eben woanders hin. Und wenn ich erschöpft bin, habe
ich nichts zu geben.
Spirituelles Bla-Bla:
Unser spirituelles Leben ist
selbstverständlich geworden und
das ist ein Geschenk, das
wir uns selbst gemacht haben.