Montag, 1. August 2016

Erkenntnis durch Beispiel

Eine Lehrerin beschloss, ein eigenartiges Experiment durchzuführen,
 um ihren Schülern zu zeigen, warum Demütigung und Kränkung – Untugenden sind.

„Eines Tages vor dem Unterrichtsbeginn habe ich unterwegs in einem Laden zwei Äpfel gekauft.
 Im Aussehen waren sie praktisch gleich: 
die gleiche Farbe, ungefähr die gleiche Größe.
 Zu Unterrichtsbeginn fragte ich die Kinder:
 <Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Äpfeln?> 
Sie schwiegen, weil es in der Tat keinen sonderlich merkbaren Unterschied zwischen den Früchten gab.
Dann nahm ich ein Apfel und sprach zu ihm:
 <Du gefällst mir nicht! Du bist ein widerwärtiger Apfel!> 
Danach schmiss ich die Frucht auf den Boden. 
Die Schüler starrten mich so an, als ob ich eine Bekloppte wäre.
Danach streckte ich meine Hand mit diesem Apfel einem meiner Schüler und sagte:
 <Finde in dem Apfel das, was dir nicht gefällt und schmeiße ihn ebenfalls auf den Boden.> 
Der Schüler befolgte meinen Anweisungen. 
Danach bat ich ihn, den Apfel weiterzureichen. 
Man muss hier sagen, dass die Kinder es überhaupt nicht schwer hatten,
 in dem Apfel irgendwelche Mängel zu finden:
 <Dein Schwänzchen gefällt mir nicht!
 Deine Schale ist ekelhaft!
 Du bist ja total von Würmern befallen!>
 - sagten sie und schmissen den Apfel jedes Mal auf den Boden.
Als die Frucht wieder zu mir zurückkehrte,
 fragte ich die Kinder noch einmal, ob sie den Unterschied zwischen dem Apfel, welcher die Runde hinter sich hatte und dem Apfel, der die ganze Zeit auf dem Lehrertisch lag, erkennen können.
 Die Kinder guckten wieder etwas verwirrt, denn trotz dessen, 
dass wir den Apfel ständig auf den Boden schmissen, 
seriöse äußere Schäden konnte er dennoch nicht aufweisen
 und sah fast genauso aus wie der erste Apfel.
Dann schnitt ich die beiden Äpfel auf.
 Der Apfel, der die ganze Zeit auf dem Tisch lag,
 sah in seinem Inneren schneeweiß aus und gefiel den Kindern. 
Sie waren damit einverstanden, dass sie ihn auch gerne essen würden.
 Der zweite Apfel aber sah von Innen braun aus,
 sein Inneres war komplett mit „blauen Flecken“ bedeckt, 
welche wir ihm zugefügt haben.
 Ihn wollte keine essen.
Ich sagte: < Kinder, wir waren es doch, die ihn so zugerichtet haben! 
Das ist unsere Schuld!> Die Klasse versank in Totenstille. 
Eine Minute später fuhr ich fort: 
<Das gleiche geschieht auch mit den Menschen, wenn wir sie demütigen, kränken und verhöhnen. 
Äußerlich sieht man es ihnen überhaupt nicht an,
 aber tief in ihrem Inneren tragen sie eine große Anzahl von Wunden mit sich!>
Dieses Aufzeigen auf die Untugenden in Form eines Gleichnisses kam bei meinen Kindern so schnell an wie keine anderen Erwähnungen zuvor. 
Sie begannen, ihre Erfahrungen untereinander mitzuteilen, 
wie unangenehm sie sich fühlen, wenn sie jemand demütigt und kränkt.
 Wir alle haben nacheinander etwas geweint, 
und danach haben wir zusammen gelacht. 
Als die Stunde vorbei war, haben die Kinder mich 
und sich gegenseitig umarmt.
Wie schön es doch ist, dass meine Mühe sich gelohnt hat!"