Mittwoch, 14. September 2016
Über die (Un)Fähigkeit, alleine zu sein und sich selbst zu genießen
Ein Baby braucht,
vor allem in den ersten neun Monaten
seines Lebens,
ebenso wie danach,
das Gefühl, eine geliebte Bezugsperson steht
zuverlässig zur Verfügung.
Die Betonung liegt auf
„zuverlässig“.
Wenn ein Baby
bzw. Kleinkind hingegen immer wieder die Erfahrung macht, dass seine Eltern
nicht zuverlässig für seine Bedürfnisse zur Verfügung stehen, fühlt es sich
verlassen und verspürt tiefe Unsicherheit.
Und so beginnt eine Art
Überlebenskampf.
Es tut alles in seiner Macht stehende, um seine Bedürfnisse zu
befriedigen:
Es weint und schreit nicht mehr,
weil Mama dann länger freundlich
ist.
Es lächelt, obwohl es wütend ist, kurz:
Es lernt, sich selbst, seine
Gefühle und Bedürfnisse zu verleugnen,
um eine Art Notversorgung zu
gewährleisten.
Wenn das funktioniert, lernt es, dass es – wenn auch mangelhaft
–
versorgt wird, wenn es versucht, sich und andere zu kontrollieren.
Und es
wird diese Überlebensmaßnahmen ins Erwachsenenalter übernehmen – zu einem enorm
hohen Preis.
Denn dieser kleine Mensch gibt sein tiefes Urvertrauen,
seine
Selbstliebe und Lebendigkeit auf, um zu funktionieren.
Er wird zu einer Art
Maschine, darauf trainiert zu überleben anstatt zu leben, zu genießen, einfach
nur da zu sein und sich am Leben zu freuen.
So ein Mensch verliert häufig auch
die Fähigkeit, mit sich alleine glücklich zu sein, da er – in gewisser Weise
und oft ein ganzes Leben lang –
eine Art abhängiges Kind bleibt, immer darauf
ausgerichtet,
die Liebe, Anerkennung und Bestätigung anderer zu gewinnen bzw.
bloß nicht zu verlieren.
Da er seinen Gefühlen, natürlichen Bedürfnissen
und
Impulsen nicht mehr vertraut,
sind Angst, Unsicherheit, Einsamkeit und Wut
ebenso wie Unruhe
und Getriebensein häufige, wenn auch meist unbewusste,
Begleiter.
Wenn ein Kind hingegen zuverlässig erfährt,
dass es alleine sein
kann und darf,
wissend und zutiefst darauf vertrauend,
dass wohlwollende
Menschen in der Nähe sind,
wird er es auch als Erwachsener schätzen,
hin- und
wieder mit sich alleine zu sein.
Er wird aus diesem Alleinsein gesättigt
hervorgehen –
satt von sich selbst, der tiefen Freude, Lebendigkeit und Stille,
die seine Natur ist.
Wenn dies hingegen nicht geschehen ist,
bleibt ihm als
Erwachsener, wenn ihm an sich selbst liegt,
nichts anderes übrig, als verspätet
erwachsen zu werden.
Wirklich erwachsen zu sein bedeutet, dir bewusst zu sein,
was bzw. wer du wirklich bist und dieses Sehen immer tiefer zu verkörpern.
In
Bezug auf das Alleinsein heißt das,
du entdeckst dich selbst und zwar auch und
vor allem dadurch,
dass du dich immer wieder dem physischen Alleinsein stellst
–
in deinem Rhythmus und gemäß deinem natürlichen Drang
nach Selbstständigkeit.
Du lernst deinen Körper, seine Sprache
und den Reichtum deiner Gefühle kennen.
Und du entdeckst dein wahres Zuhause, die Stille, den unendlich weiten Raum,
der du wirklich bist.
Und in dem Erkennen, was wirklich ist und was nicht,
was
alte Gefühle und Gedanken sind und was aktuell ist,
lernst du zu unterscheiden
zwischen Dem,
was du wirklich bist,
und den künstlichen Identitäten, die du
erworben hast, um zu überleben.
Dadurch dass du all das immer besser
durchschaust,
haben dich deine Abwehrmechanismen und Inneren-Kind-Trancen nicht
mehr im Griff und du bist in der seltenen Lage,
mit deiner Aufmerksamkeit in
der Stille zu verweilen bzw.
immer wieder dorthin zurückzukehren,
wenn sie sich
denn mal wieder –
in den Hereinforderungen des Alltags – losgerissen hat.
Denn
nur von dort aus kannst du dem verlassenen inneren Kind zuverlässig die Mutter
bzw. der Vater und damit der Halt sein, den es braucht.
Erst dann bist du frei
– von der Vergangenheit,
destruktiven Denk-, Fühl- und Verhaltensmustern,
dem
traumatischen Wiederholungszwang, Angst, Scham, Depressionen
und der rastlosen
Suche nach Anerkennung, Bestätigung, Liebe,
Frieden und Freiheit.
Willkommen zu
Hause!