Sonntag, 13. Juni 2010

Ein leidenschaftliches Plädoyer für das Frau-Sein

Der Tanz der Göttin
Von Claudia Voigt
Ich bin eine Frau.
Auf den ersten Blick und biologisch betrachtet ein nicht besonders bemerkenswerter Satz,
 aber diesen Satz ganz zu fühlen und zu durchleben, d. h. zu erfahren, dass das Weibliche in mir eine urlebendige Energie, ein angeborenes Wissen, - ja eine geheimnisvolle Weisheit tief in meinem Inneren für mich bereithält, die mich intuitiv handeln, wissen und kommunizieren lässt, ist - wie ich es erfahre -
ein Prozess, ein Lebensprozess der Enthüllung, den ich mit anderen Frauen teile
und der uns vom Mädchen zur Frau, zur "Göttin" werden lässt.
Tief in uns wissen wir um diese Energie;
sie schlummert ganz organisch und sinnlich in uns, macht uns als Frauen heilig und sexy, sehnsüchtig
 und verzweifelnd, herzzerreißend, dunkel und spirituell.
In diesem Prozess des Lebens finde ich mich gerade als Frau mit Anfang 40, die bereits
 "ihren Mann gestanden"
 hat und nun endlich das Feminine, ihre ureigenste Essenz, einlädt.
In das maskuline Feld meiner beruflichen Selbstständigkeit als Ärztin hält nun die Weiblichkeit Einzug.
Die innere - mit Anstrengung verbundene - Ausrichtung auf Praxismanagement,
Erfolg und Anerkennung im (überwiegend männlichen) Kollegenkreis verschiebt sich zugunsten
 des fühlenden Miteinanders.
 Die Kontakte mit meinen Patienten und Mitarbeiterinnen sind offener und ehrlicher geworden,
als Chefin bin ich berührbarer und sanfter geworden
 und gleichzeitig in meiner Autorität authentischer und selbstverständlicher.
Ich erlaube mir
 - neben meiner fachlichen und führenden Funktion - auch meine persönlichen Gedanken und Empfindungen in den beruflichen Begegnungen und lasse mich als fühlende Frau gesehen werden,
ebenso wie ich Wert darauf lege, dass meine Mitarbeiterinnen unterschiedlichsten Alters
sich bewusst mit ihren Emotionen ausdrücken.
 Durch den Raum, den jede Frau in Achtung und Anerkennung ihrer Gefühle und Gedanken erhält,
entsteht trotz hierarchischer Strukturen eine spürbare Gemeinschaft der Frauen, in der wir uns gegenseitig befruchten und anregen - und hier geschieht Arbeit anstrengungslos und fließend...
Zurückfinden zur inneren Frau
Dies ist möglich geworden, weil ich zu meiner inneren Frau zurückgefunden habe
, ihr zunächst im geschützten privaten Umfeld mehr Aufmerksamkeit und Ausdruck gab
 und mich nun in allen Lebensbereichen zunehmend in ihr entspanne.
Ich habe begonnen, mich wieder wertzuschätzen,
meine Bedürfnisse wieder zu entdecken und ernst zu nehmen,
und aus Liebe und Ehrlichkeit zu mir selber (zu riskieren,) diese in die Welt zu bringen.
Immer öfter und genauer erkenne und äußere ich meine Wünsche und meine Grenzen,
weiß, was mir gut tut und wo ich "nein" zu sagen habe.
 So lasse ich nicht mehr zu, dass Männer meinen Raum missachten, mich bewerten
oder mit ihren Ideen zu wissen vermeinen, was mir gut tut oder was in mir vorgeht.
Ich nehme jetzt meine Selbstbestimmtheit und meine Verantwortung zu mir zurück,
denn ich habe wieder erlernt, meinen Gefühlen und meiner Wahrnehmung zu trauen,
 mich darauf zu verlassen, dass alles andere tatsächlich daraus erfolgt, und vertrauensvoll für mich zu gehen!
Der größte Schritt war,
mein Selbst als Frau meinem Partner gegenüber zu gewinnen, nicht mehr nur seine Frau zu sein
 und meine Rolle auszufüllen, sondern eigenständig in mir meine Ganzheit und Liebe als Frau zu entdecken. Zu erkennen und zu spüren, dass mein Leben, mein Lieben nicht von ihm als Mann abhängen,
hat mir meine ganze Lebendigkeit, meine Fülle, meinen Lebenssinn und meine Dankbarkeit zurückgebracht. Das ist das größte Geschenk an mich!
Das war nicht immer so.
Ich bin jetzt eine Frau, aber die meiste Zeit meines bisherigen Lebens war ich nur
die Tochter, die Schwester, die Chefin, die Freundin von diesem oder jenem Mann oder -
als scheinbar letzte Rettung - Single.
Ich habe darunter, wie so viele Mädchen und Frauen, gelitten, ohne dass es mir -
durch die Taubheit meiner Gefühlswelt in falsch verstandener Liebe und Aufopferung für meine Familie -
 in diesem Ausmaß bewusst gewesen war.
Und dennoch gab es in mir seit meiner Kindheit eine nie verstummende Stimme:
"Später mal, wenn mein Leben dann anfängt..."
Ausrichtung nach dem Männlichen
Inzwischen weiß ich, dass ich mein Leben etwa im Alter von drei Jahren aufgegeben hatte,
 aufgeben musste, weil meine Mutter mir kein Vorbild sein konnte.
Sie gab uns Kindern alles bis zur Selbstaufgabe, aber kein frei liebendes Mutterherz,
das sich aus der Selbstverständlichkeit, Schönheit und Kraft einer eigenen tiefen, erfüllten und wertgeschätzten Weiblichkeit nährt, denn auch ihre Mutter konnte ihr dies nicht geben.
Das ist das sich stetig wiederholende Dilemma, in dem sich fast alle Mütter und Töchter verhaftet sehen. Über Generationen schon ist diese herzensoffene, sich verströmende und bedingungslos liebende Mütterlichkeit und nachahmenswerte Weiblichkeit verloren gegangen,
so dass auch ich mich nach dem Männlichen ausrichtete.
Wie meine Mutter sich an ihrem Ehemann orientierte, so übte ich mich als Mädchen im Spiegel meines Vaters und lernte - entgegen meinem kindlich-ursprünglichen Selbstverständnis von meiner Vollkommenheit -
 Frau-sein sei Anpassung, Unterordnung, schwach sein und Weniger-wert-sein.
Ich suchte die Vollwertigkeit und richtete mich nach dem männlichen Vorbild vom Vater, vom Bruder,
vom Lehrer oder vom jeweiligen Freund.
Diese Übernahme des Männlichen in die Psyche der Frau ist so allgegenwärtig,
dass Frau sich dessen gar nicht mehr bewusst ist.
Maskuline Werte wie Leistungs- und Erfolgsorientierung, Durchhaltevermögen, Härte und Unberührbarkeit sowie vermeintliches Frau-sein im Sinne von Harmoniebestreben und Selbstaufgabe garantierten mir das,
was ich als Liebe kennen gelernt hatte,
 und bestimmten mein Leben bis die Verleugnung des wahrhaft Weiblichen mich in Angstneurosen führte
 und meine unterdrückten Emotionen sich in einem Tumor verkörperten.
Selbst das habe ich aus meiner männlichen Kraft noch einige Jahre be-herr-scht.
Als ich endlich aufgab, geschah die Wandlung.
Wie durch ein Wunder kamen nun andere Menschen auf mich zu, Menschen auf die ich mich einließ.
Und dies war mein erster wirklich weiblicher Schritt:
mich einzulassen, mich führen zu lassen.
Und so ließ ich mich trotz innerer Widerstände auf eine Frauengruppe ein;
Frauen, die in gleich gesinnter Ausrichtung und mit zunehmender Bewusstheit und Ehrlichkeit ihre Weiblichkeit gemeinsam auf- und wieder entdecken, heilen und feiern.
In diesem femininen Feld bäumte sich mein Widerstand gegen Frauen und meine Verachtung für Mütterlichkeit noch einmal heftig auf, bis ich dahinter schmerzhaft erkannte, dass ich zu stolz gewesen war, um meine Mutter an mich heranzulassen, und dass ich mich aus tiefstem (Kinder-)Herzen nach ihr sehne, nach ihrer Liebe, ihrem Trost, ihrer Wärme, nach Gehaltenwerden - immer noch.
Dieses Erkennen brach den Widerstand und eröffnete mir den Weg zu den Frauen,
zu meiner eigenen inneren Frau.
Jahrzehntelang habe ich vergeblich beim Mann gesucht, was ich nur bei den Frauen finden kann.
Ich erkenne und erfahre mich als Frau unter Frauen.
Hier kommt mein Schwingungsfeld in heilende Resonanz mit den erlösten femininen Schwingungen ihrer Felder.
 Hier fühle ich mich verstanden und erkannt, hier brauche ich mich nicht mehr verstecken und verstellen,
denn alle Frauen leiden unter der gleichen Entmachtung des Weiblichen, haben - trotz unterschiedlicher Biographien - ähnliche Vermeidungsmuster, abgespaltene Gefühle und unbewusste Sehnsüchte.
 Im Spiegel der anderen entsteht nun Bewusstwerdung;
 und das gemeinsame Feld nährt und unterstützt uns derartig, dass die gewohnte Ebene der Gefühllosigkeit plötzlich durchlässig wird und unsere "dunkelsten" und unterdrücktesten Gefühle hochkommen.
Durchbruch zur Kraft
Verwirrung ist wieder da, Unverständnis.
Das Gefühl von Ohnmacht bietet sich nochmals als Ausweg an,
 doch jetzt sind wir nicht mehr drei Jahre alt!
Jetzt taucht der Ärger auf.
Ärger über die fehlende Unterstützung der Mutter,
über den Vater, der körperlich oder emotional unerreichbar war,
oder über die männliche Bevormundung.
 Ärger über die Missachtung meiner zarten Gefühle und meiner Bedürfnisse,
 Ärger über die Unterdrückung meiner selbst - und plötzlich breche ich durch zu der Wut!
Breche ich durch in meinen Bauch und in mein Becken, wo die Wut tobt und - oh, Wunder! -
 auch meine Weiblichkeit.
Welch eine Intensität, welch eine Lebendigkeit, welch eine Kraft!
Ich nehme mich energetisch als Frau wieder in Besitz.
Endlich hat die Wut das unterdrückte Feminine mit freigegeben, endlich ist wieder der Kontakt da zu der Kraft von unten, ist die Verankerung im Weiblichen wieder möglich.
Und schon drängen die nächsten Dunkelheiten ins Licht des Bewusstseins:
Da ist - über Generationen weitergegeben - diese Verachtung der Männer,
die jedwede weibliche Hingabe unmöglich macht.
"Mich kriegt ihr nicht",
 tönt es in den verwundeten Frauenseelen,
die nicht mehr spüren, dass sie sich selbst verletzen, wenn sie sich nicht ins Leben geben,
aber der unbewusste Drang nach Schuldvergeltung, nach Rache ist stärker.
Es ist eine sehr subtile Rache, die den Mann schon allein in der Art und Weise wie ich ihn anspreche
oder von ihm rede, heruntermacht, ihn bloßstellt, ihm Seitenhiebe verpasst
 oder unterschwellige Vorwürfe macht.
Und in dem Moment, in dem ich diese subtile Rache erkenne, fühle, von mir ablöse
 und vergebend in mein Herz nehme,
 ist plötzlich eine bisher nicht gekannte liebevolle Tiefe in der Begegnung mit dem Mann möglich -
mein innerster Wesenskern der Liebe, meine göttlich-feminine Essenz schimmert durch!
Der Kampf ist endlich vorbei!
Ich kann meine Opferrolle nun loslassen und mich wieder für mein Leben entscheiden,
 denn ich finde in mir die Liebe, die mich erfüllt.
In der Potenzierungskraft des femininen Feldes der Gruppe erfahre ich,
dass mich nicht die Hingabe an den Mann zur Frau macht,
sondern die Hingabe an das Weibliche schlechthin:
Weichheit, Berührbarkeit und Zärtlichkeit -
Freude, Lust und Fülle -
Fließenlassen, Fallenlassen und Geschehenlassen -
 Intuition, Gefühle und Sehnsucht.
 Hier finden sich alle Frauen wieder, hier verbinden wir uns auch mit unseren Müttern und Großmüttern, nehmen auch ihre sehnsuchtsvollen Seelen verstehend und vergebend in unseren heilenden Kreis hinein.
Wir Frauen fühlen uns gemeinsam in unser Herz und unser Becken zurück,
und wo die eine das Neue in sich noch nicht spüren kann, obwohl die Wandlung schon da ist,
wird es ihr von einer anderen reflektiert und sie erkennt sich nun im Spiegel der Frauen.
Und das ist ganz wörtlich zu nehmen:
Die Körper der Frauen kommunizieren jetzt ohne unser Zutun,
nicht nur unsere Gedanken und Empfindungen kommen in Gleichklang,
auch unsere Organe und Zellen schwingen in derselben Frequenz, dass es einem Gebet gleichkommt. Schönheit durchflutet den Raum,
 die liebenden Herzen verströmen sich und verbinden sich als Eins.
Die Göttin tanzt.
Raum für die Göttin
Wir wissen nun um die Liebe dieser Göttin in uns, wir wissen um ihre Schönheit, Weisheit und Kraft,
 wissen um ihr nährendes Licht und um ihre Führung.
 Aber erst, wenn die innere Göttin fortlaufend genügend Nahrung und Raum bekommt,
wenn wir unsere Verbindung zur femininen Quelle immer wieder gemeinsam aufdecken,
stärken und liebevoll pflegen -
was unsere volle Verantwortung für uns selber ist -
 wird ein wirklicher Kontakt mit dem Männlichen möglich.
Solange haben wir unseren wahren Wesenskern missachtet, unsere Liebe verachtet
 und unsere Größe verleugnet, dass wir der energetischen Unterstützung des femininen Feldes bedürfen,
 um in der Begegnung mit dem Mann nun diese Verwurzelung in unserer weiblichen Energie nicht wieder zu kappen und unser ureigenstes Strahlen beizubehalten.
Es ist diese Verbindung, aus der ich allein der organischen Schwingung meiner inneren Frau vertraue,
die nun einfach spürt und weiß, ob der Mann für eine tiefe Begegnung im höheren Spiel bereit ist,
 ob er sich mir und somit seiner eigenen Anima öffnen kann.
Ich lasse mich nicht mehr täuschen, traue keinen hehren männlichen Ideen mehr,
 sondern fordere den Mann in seine Präsenz und Klarheit, denn nur dort kann ich ihm mit der ganzen Fülle und Schönheit meiner inneren Göttin hingebungsvoll begegnen,
nur dort kann ich mich seiner Führung entspannt anvertrauen, um zu empfangen, was die Liebe gibt.
Meine Seele sehnt sich nach diesem Mann,
der nicht nur seine Projektionen geklärt hat
 - seine ihm nicht bewusste Verachtung des Weiblichen und seine Pseudo-Männlichkeit - ,
 sondern der in sich den Weg des Heros, des Helden, ja des "Kriegers" geht,
 in dem Kopf, Herz, Bauch und Genital immer mehr in eine Bewegung kommen,
und der sich in seinem Kern nach der gleichen tiefen spirituell-sexuellen Leidenschaft sehnt,
aus der wirkliche Hingabe und Intimität erwachsen.
Und ich ahne jetzt, dass die Resonanz der Göttinnen-Energie in mir genau den Mann anzieht,
dessen bewusste und präsente Maskulinität meiner zart-verströmenden Weiblichkeit ebenbürtig ist.
Das höhere Spiel der Geschlechter - man kann es nicht "machen".
 Es ist immer ein Wunder und wenn es geschieht, schwingen beide,
 Mann und Frau -
Göttin und Heros -
 in einem Tanz, der sie als Eins vereinigt.
Dr. Claudia Voigt lebt als Ärztin in Berlin.

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