Montag, 27. August 2012

Und der Himmel führt Regie

~Ausschnitt aus dem Buch "Und der Himmel führt Regie"
von Karin E.J.Kolland~

...."Nach einiger Zeit des stillen Wanderns nahm ich mir ein Herz und sagte:
"Warum ist es mit der Liebe so schwer, Rudi?"
"Es ist nicht schwer, Karin.
Schwer zu ertragen ist nur, wenn du etwas erwartest, und es trifft nicht ein."
Und nach einer Weile ergänzte er: "Aber das hat dann mit Liebe nichts zu tun."
"Aber Rudi, wenn ich nun jemanden wirklich liebe, ganz tief, was soll ich dann mit meiner Liebe machen?
 Wo soll ich sie hingeben?"
"Schenk sie ihm ganz einfach."
"Aber wie kann ich ihm Liebe schenken, wenn er nicht das ist
und sie vielleicht auch nicht will?"
 und das war ja auch die Kernfrage, die mich beschäftigte.
Durfte ich jemandem Liebe zufließen lassen, von dem ich nicht wusste,
ob er das überhaupt wollte?
"Gib ihm einfach Platz in deinem Herzen.
Denk an das Fasten des Herzens.
Wenn alle Erwartungshaltung, alles Wollen aus deinem Herzen draußen sind, dann ist Platz für die wirkliche Liebe, und das kann die andere Person immer spüren,
auch wenn sie fern von dir ist.
Es liegt an dir, ihr diesen Platz einzuräumen und Liebe zu schenken,
und es liegt an ihr, diesen Platz einzunehmen oder nicht."
Rudis Worte kamen ruhig und bestimmt.
Ich versuchte, seine Worte tief in mir aufzunehmen, aber es wehrte sich etwas in mir, und ich sagte: "Das sagt sich so leicht.
Wenn ich an ihn denke, werde ich oft traurig, und alles wird schwer.
Manchmal werde ich auch ärgerlich und möchte ihn und alle Gedanken an ihn verjagen, möchte mich wehren gegen das, was mich bindet, und doch liebe ich ihn."
"Siehst du", sagte Rudi, "da ist es wieder.
 Das hat mit Liebe nichts zu tun.
Du bist ärgerlich und enttäuscht, weil sich nicht erfüllt, was du willst."
Dabei nahm er mich aber zärtlich an den Schultern und ergänzte leise:
"Ich weiß schon, dass das sehr schwer ist und auch sehr weh tut.
 Aber schau, so ist das eben mit der Liebe, wenn sie ins Leben kommt.
Nicht immer bekommen wir sie geschenkt,
 manchmal müssen wir uns Liebe hart erarbeiten.
Müssen selbst erst in uns klären, ob es wirklich Liebe oder nur ein Spiel der Abhängigkeit ist.
Bist du dir auch ganz sicher, dass du diesen Mann liebst?
Ich konnte nicht antworten, ich war mir nicht sicher.
Schweigend gingen wir den schönen Waldweg weiter.
Rudi brach unsere Stille nur, um mich hin und wieder auf eine kleine Blume,
einen schönen Stein oder besonders schönen Lichtstrahl zwischen den Zweigen aufmerksam zu machen.
Ich war in meinen Gedanken tief mit meiner Geschichte beschäftigt
 und kam nicht davon los.
"Wie heißt er?
Magst du mir von ihm erzählen?" fragte Rudi einfühlsam.
"Er heißt Günther", sagte ich mit einem Seufzer, "aber ich kann und will eigentlich nicht davon erzählen.
 Wenn ich darüber spreche, dann kommt es mir vor, als verrate ich alles in mir, verstehst du?
"Ja, das verstehe ich gut."
"Aber weißt du, Rudi, ich bin dir doch sehr dankbar, dass ich mit dir reden kann.
So kann ich sonst mit niemandem darüber sprechen.
 Mir kommt vor, diese Liebe braucht viel Schutz,
und ich will sie von niemandem zerstören lassen.
Aber ich will lernen, wie ich damit umgehen soll und was ich tun kann.
Ich frage mich natürlich, warum ausgerechnet mir das nun wieder passieren muss. Ich habe doch wirklich schon genug durchmachen müssen in den Beziehungen,
die ich gelebt habe.
Warum passiert mir das jetzt wieder?" fragend schaute ich zu ihm hin, "
was will Gott mir damit sagen?"
"Ich weiß nicht, was Gott dir sagen will, Karin.
Aber vielleicht hast du es dir selbst zur Aufgabe gemacht, lieben zu lernen.
Schau, es ist leicht, Menschen zu lieben, von denen wir wiedergeliebt werden.
Sieh, Gott liebt alle Menschen, bedingungslos, auch die,
die von ihm nichts wissen wollen."
"Ja schon, aber ich bin ja nicht der liebe Gott.
Ich bin ein ganz normaler Mensch, eine Frau, und ich möchte auch Liebe,
Zärtlichkeit und Nähe.
Und ich möchte Freude haben und Unterstützung bei meiner Arbeit",
entgegnete ich trotzig.
"Dann musst du eben weitersuchen nach einem Menschen, der bereit ist,
dir das zu geben." Rudis Antwort war eindeutig.
„Das will ich nicht, denn dann müsste ich für jemand anderen Platz machen in meinem Herzen.“
Wir redeten noch eine Weile weiter und gingen so dahin.
Mir wurde mehr und mehr klar, dass ich da mit meinen Gefühlen einen sehr steinigen Weg zu gehen entschlossen war und ahnte damals noch nicht, wie sehr gerade dieser Weg der Liebe zu einem Menschen, sich als Weg des spirituellen Erwachens erweisen würde und mich zu den schönsten und tiefsten Mysterien hinführen würde, die als Mensch zu schauen und zu fühlen möglich sind.
Und heute denke ich noch an die Worte, die mir Rudi auf diesem Waldweg ins Herz legte: „Liebe Karin, das braucht Geduld, viel Geduld.“
Und ich denke, welch unermessliche Geduld hat doch Gott mit uns,
und mit welch unerschütterlicher Geduld trägt Er seine Liebe vor uns her, bedingungslos darauf wartend, dass wir sie annehmen.
Er zwingt sie uns nicht auf.
Oh nein, Er wird nur nicht müde, mit Seiner Liebe vor uns herzugehen
und sie uns sofort zufließen zu lassen, wenn wir bereit sind, sie anzunehmen."

~Ausschnitt aus dem Buch "Und der Himmel führt Regie"
 von Karin E.J.Kolland~

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