Sonntag, 4. Juli 2021
Die Spiegeltheorie: Wunden, die Beziehungen formen und zerstören
gesehen bei Gedankenwelt
Hast du dich schon einmal gefragt,
was eigentlich passiert,
wenn du dich mit einem anderen Menschen verbindest
und nach einiger Zeit
Charakterzüge entdeckst, die dir missfallen?
Die Spiegeltheorie von Jacques
Lacan hilft uns,
diesen Prozess zu verstehen.
Laut diesem Autor würden wir unsere persönliche Identität so
erschaffen,
wie wir uns selbst in anderen wahrnehmen.
Somit seien
unsere Beziehungen zu anderen das Spiegelbild
oder Projektionen von Aspekten
unserer Persönlichkeit,
die wir mögen oder nicht mögen.
Was ist die
Spiegeltheorie?
So wie es Stellen an unserem Körper und unserem
Erscheinungsbild gibt,
die uns missfallen, wenn wir uns im Spiegel betrachten,
gibt es auch Aspekte unserer Persönlichkeit, die wir nicht akzeptieren.
Diese
Aspekte werden von unserem Unterbewusstsein unterdrückt.
Wir sehen allerdings in unseren Mitmenschen
reflektiert,
womit wir anecken.
Das heißt, dass wir auf eine
bestimmte Weise einige der Charakterzüge,
die uns an anderen missfallen,
mitunter in uns selbst wiedererkennen,
wenn auch auf symbolische Weise.
Was uns
an anderen nicht gefällt,
gefällt uns womöglich auch an uns selbst nicht.
Wir projizieren also ständig einen Teil von uns.
Die
Spiegeltheorie lädt uns demnach dazu ein,
unsere Einstellung zu ändern,
dahingehend,
dass wir uns nicht vor anderen schützen müssen,
sondern fragen
sollten:
„Aus welchem Grund erlebe ich diese Situation mit diesem
Menschen
und was habe ich an mir, das ich an ihr nicht ertrage?“
Da
wir im Allgemeinen nicht dazu in der Lage sind,
unsere eigenen Schatten und
sogar Tugenden zu sehen,
macht uns
das Leben des Geschenk der Beziehungen, die wir erleben,
um uns auf indirekte Weise
das zu zeigen, was in uns ist.
Der andere in der Beziehung dient uns
einfach als Spiegel,
wir spiegeln uns wider und bekommen dadurch die
Möglichkeit,
uns selbst zu erkennen.
Direkter oder
umgekehrter Spiegel
Die Spiegeltheorie kennt eine direkte und eine umgekehrte
Projektion.
Hier ein Beispiel:
Stellen wir uns einmal vor,
dass du den Egoismus
deines Partners oder Freundes nicht aushältst.
Auf direkte Weise kann es sein, dass du diesen Teil von dir,
der
egoistisch ist und den du von dir weist, projiziert.
Falls du auf umgekehrte
Weise vorgehst,
könnte dir diese Person zeigen,
wie wenig Wert du deinen
Interessen zuschreibst.
Vielleicht bist du von anderen abhängig
und
gibst anderen mehr Priorität als dir.
Auf die eine oder andere Weise bekommen
wir also sehr wertvolle
Informationen für unsere Selbstkenntnis und
Entwicklung.
Was mir an dir nicht gefällt,
das korrigiere ich an mir.
Vielleicht denkst du, dass dein Chef zu viel von dir
fordere.
Vielleicht bist du aber auch sehr fordernd und perfektionistisch,
was
deine eigene Person anbelangt,
und dein Vorgesetzter ist nichts weiter als ein
Spiegelbild
dieses fordernden Verhaltens, das du dir selbst auferlegst.
Andererseits kann es auch sein, dass du zu tolerant bist
und deinem Leben etwas
Strenge verleihen musst.
Und wir wissen ja, dass die Tugend im Gleichgewicht
liegt.
Emotionale Wunden
Mit einem Pflaster heilen wir keine Wunde.
Wenn
wir uns verletzen, drücken wir zuerst unseren Schmerz aus,
und wenn wir uns
beruhigt haben, reinigen wir die Wunde
und heilen sie mit den entsprechenden
Hilfsmitteln.
Wir decken sie nicht ab und wir vergessen sie auch
nicht,
weil wir wissen, dass sie so nicht heilen wird.
Und darüber hinaus geben
wir eine Zeit lang acht auf die Wunde,
bis sie dann irgendwann verheilt ist.
Das Gleiche passiert auch mit anderen Arten von Wunden.
Wir alle haben emotionale Wunden.
Emotionale Wunden sind all diese Emotionen,
Gefühle, Gedanken
und Handlungsweisen, die in uns sowie in verschiedenen
schmerzlichen
Momenten unseres Lebens entstanden sind
und die wir noch nicht
überwunden und akzeptiert haben.
Wir sind zu Gefangenen unserer
Emotionen geworden
und halten uns selbst in diesem fiktiven Gefängnis gefangen.
Wir fühlen uns wieder wohl, wenn wir diese Gefühle umgewandelt haben
und aus
diesen Denkweisen Weisheit und Erfahrungen gemacht haben,
sodass sie uns als
Impuls dienen, um uns selbst zu heilen.
Wunden als
Spiegelbild
Sobald wir unsere Wunden vergessen,
werden sie zu einem Teil
unseres Unterbewusstseins
und nehmen Einfluss auf unsere Gedanken, Stimmungen
und Verhaltensweisen.
In unserem
Inneren macht sich langsam ein Gefühl
der fehlenden Liebe breit, die
in unserer frühsten Kindheit entstanden ist,
sich aber jetzt bemerkbar macht
und/oder noch stärker zum Vorschein
kommt, wenn wir sie nicht heilen.
So kommt es, dass
wir in unserem Partner oftmals Leeren finden,
die den unseren sehr ähneln.
Und
genau das führt zu unserer Vereinigung.
Zwei Menschen, die wegen
der Liebe sehr gelitten haben,
treffen beispielsweise aufeinander und
entdecken,
dass Liebe nicht Leid bedeutet.
Dieses Paar hat die gleiche Wunde
verbunden.
Beide sind das Spiegelbild des anderen.
Aber hier müssen wir vorsichtig sein,
denn Wunden, die vereinen, können
auch trennen.
Wenn beide Partner ihre Wunden nicht heilen,
werden diese die
Beziehung früher oder später zerstören.
Unsicherheiten, Ängste, Eifersucht oder
besitzergreifendes Verhalten
kommen dann zum Vorschein.
Es ist so, als würde
das Leben versuchen, uns einen Spiegel vorzuhalten,
der uns den Weg aufzeigt, den wir
gehen müssen, um zu wachsen.
Wenn
wir diese Widerspiegelungen nicht analysieren
und die uns dadurch aufgezeigten
Informationen missachten,
werden wir uns nicht weiterentwickeln bzw. langsamer
reifen
und unsere Beziehungen werden zerbrechlicher sein.
Aus
diesem Grund können uns unsere Beziehungen zu anderen –
in Anlehnung an die
Spiegeltheorie – sehr nützliche Informationen
über uns selbst und den
Zustand dieser Wunden,
die wir noch nicht zu einem Teil unserer Geschichte
haben werden lassen, liefern.
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