Donnerstag, 13. Juni 2019
Die dunkle Seite des Helfens…
@Lars www.shamancross.de
Gestern hatte ich Besuch auf „MarienQuell“.
Eine Dame war
knapp 400 km angereist, um Hilfe zu erhalten.
Gegen Ende des Termins fragte sie mich:
Zweifelst du nie?
Bist du nie traurig
so wie du jetzt leben darfst?
Weinst du nicht mehr?
Ich habe Ihr diese Fragen beantwortet und den ganzen Abend mitgetragen, als
meine Frau und ich noch lange draußen saßen.
Meine Antwort zu allen 3 Fragen war:
„Doch das tue ich. Beinahe täglich.“
Die Dame war überrascht und erleichtert zu hören,
dass ich nicht über den
Dingen schwebe,
denn Ihr würde es genauso gehen.
Es mag Menschen geben, die das als Schwäche,
oder eines Helfers unwürdig empfinden,
NICHT immer direkt das Licht hinter den
Schatten zu sehen,
oder 24/7 frohlockend durchs Leben zu tanzen.
Ich habe es vor Jahren auch so gesehen.
Heute nicht mehr.
Denn auch wenn ich
nicht weiß, wie es weiter geht
und ich auch bewusst darauf verzichte als
Beruhigung oder Bestätigung
einen Blick „nach vorne“ zu erhaschen,
ist der
Blick in die Schatten des Seins im Jetzt im Grunde das,
was einen Helfer (auch)
ausmacht.
Zumindest ist mir das in meinem Tun und Sein sehr wichtig.
Ich möchte
den Blick auch in Zukunft nicht „nach unten“ richten
auf Menschen, deren Kraft
derzeit nicht ausreicht,
sich selber zu waschen oder aufzustehen.
Nein. Ich verstehe
es als meine Pflicht für diese Menschen,
die zu mir kommen, die schwere Tür
meiner eigenen Keller zu öffnen
und jedes Mal hinunter zu wandeln, bis ich den
Punkt des Schmerzes
erreicht habe, den die Menschen fühlen
und der auch ein
Teil meines Lebens ist, weil ich ihn erfahren habe.
Erst auf dieser Ebene kann ich voll und ganz die Hand reichen.
Und so ist jede
Arbeit mit Menschen im Schmerz
auch eine Arbeit mit meinem erfahrenen Schmerz,
für den ich heute - anders als früher - unendlich dankbar bin.
Es ist immer
noch nicht angenehm,
aber diese „dunkle“ Seite zu verneinen brachte mir rein
gar nichts.
Erst als die Schatten erkannt und umarmt wurden,
erleuchtete auf
der großen Waagschale meines Lebens
das Licht und konnte für Ausgleich sorgen.
Ich bin nicht mehr in der Lage zu sagen,
wie viele Momente dieser Art es
gegeben hat.
Aber gerade die Augenblicke der absoluten Verzweiflung,
des
Nichts, des Keller Raumes ohne Türen und Fenster,
führten in der Rückschau
immer zu etwas Neuem,
einem vorher nicht beschrittenen Weg des Seins.
Ich habe
dann der Dame gestern eine Geschichte erzählt,
die ich vor Jahrzehnten einmal
gelesen hatte
und welche mir großen Mut gab und gibt.
Ein Chief/
Medizinmann/Schamane
(ich weiß den genauen „Titel“ nicht mehr)
eines Nordamerikanischen
Stammes wurde gefragt,
wie er Menschen erkennt, die eventuell ausgebildet
werden können,
um als Helfer zu arbeiten.
Er antwortete, er achte nicht auf die
Kinder, Jugendliche, Erwachsene,
welche ein leichtes frohes Leben hätten,
sondern auf Jene, welche durch ihr Leben und Schicksal eine harte Schule
durchlaufen würden.
Er sagte, jedes Wesen würde mit einer schützenden „Eihülle“
geboren
werden.
Damit aber irgendwann einmal die Energien des großen Geistes
und des Universums in das Bewusstsein des Menschen eindringen können,
muss
diese Eihülle zerfetzt werden.
Durch Schmerz, Nichtachtung, Krankheit etc.
Erst
dann vermag das Bewusstsein
in die wirklich großen Felder zu schauen und dort
(ent-täuscht - ohne Täuschung) zu agieren.
Das wären die Menschen,
denen er
seine Aufmerksamkeit schenken würde,
um sie irgendwann vielleicht einmal
auszubilden.
In den Jahren meiner Arbeit und meines Dienstes
habe ich dieselben Erfahrungen
gemacht.
Menschen, die tiefen Schmerz erfahren haben,
sind, wenn sie den Mut
und die Kraft aufbringen aufzustehen,
hinzusehen und ihren schwarzen Keller zu
verlassen,
um auch die oberen Stockwerke ihres Hauses zu erkunden,
wunderbare
und kraftvolle Helfer und Heiler,
denn sie wissen wovon sie reden und mit
welchen Energien sie arbeiten.
In diesem Sinne werde ich die Tür meiner dunklen Keller zwar manchmal
zumachen,
aber niemals abschließen.
Denn sie ermöglichen mir die Augenhöhe
mit dem
Schmerz meines Gegenübers.
Manchmal zeige ich nur die Treppe,
Manchmal reiche
ich die Hand und gehe zusammen
mit Ihnen die Stufen hinauf, wenn sie noch
schwach
und unsicher sind und bei Gott, wenn es mir erlaubt ist
und sie ihre
Beine nicht mehr bewegen können
bin ich auch jederzeit bereit, sie auf meinen
Rücken zu nehmen
um sie zu tragen.
Und sei es nur,
um endlich einmal wieder
frische klare Luft einatmen zu können.
Ich bin mir sicher, dass jene Frau, die gestern bei mir war,
wunderbare Dinge tun wird..
Und wie immer: Dies ist nur meine Meinung….
Aus tiefstem Herzen!
Lars
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